
Nachdem wir uns bereits mit der Prävention des Übertrainings beschäftigt haben, vertiefen wir hier die Pathophysiologie. Oder in anderen Worten: Was läuft schief im Körper eines übertrainierten Sportlers?
Auf einen Blick
- Es gibt mehrere Hypothesen über die Pathophysiologie beim Übertraining, aber keine konnte bisher endgültig bewiesen werden.
- Die Zytokin-Hypothese liefert die umfassendste Erklärung für die Symptomatik des Übertrainings.
- Weitere mögliche Ursachen sind Störungen im Hormonhaushalt und eine Glykogenverarmung.
Bei der Frage, welche physiologischen Veränderungen hinter der Entwicklung von Übertraining stecken, tappt die Wissenschaft noch relativ im Dunkeln. Hier erhältst du aber einen Überblick über die drei momentan wichtigsten Hypothesen.
Zytokin-Hypothese
Zytokine sind kleine Signalstoffe, die das Zellwachstum regulieren. Manche sind Wachstumsfaktoren, andere sind für das Immunsystem von Bedeutung. Beim Sport kann es zu Mikroverletzungen im Gewebe kommen, wodurch Entzündungsreaktionen hervorgerufen werden. Dabei werden bestimmt Zytokine freigesetzt. Hier sind vor allem IL-1β, IL-6, und TNF-α relevant. Wenn dem Körper nicht genug Erholung gegönnt wird, kann diese lokale Entzündung sich möglicherweise zu einer chronischen Entzündung weiterentwickeln.
Die Zytokine haben vielfältige Wirkungen: sie können das Hungergefühl reduzieren, TNF-α und IL-1β können zu Schlafstörungen und Depression führen – alles Symptome, die beim Übertraining auftreten können. Zusätzlich ist TNF-α möglicherweise für eine Reduktion der GLUT-4-Transporter verantwortlich. Das führt zu einem geringeren Glukosetransport in die Zellen, womit auch die Glykogenverarmung und die muskuläre Müdigkeit erklärt werden könnten. Insgesamt ist die Zytokin-Hypothese diejenige, die die meisten Symptome erklären kann.
Hypothalamus-Hypothese
Ein weiterer möglicher Mechanismus ist eine Störung im Hormonhaushalt. Hier werden vor allem die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse und die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse verdächtigt. Das sind die Regelkreise, die für die Produktion von Cortisol einerseits und der Sexualhormone andererseits verantwortlich sind. Die veränderten Hormonspiegel können z.B. die gesteigerte Infektanfälligkeit erklären. Insbesondere geringe Cortisolspiegel könnten für Erschöpfung, Gewichtsverlust und mangelnde Motivation verantwortlich sein. Allerdings kann diese Theorie nicht alle Symptome erklären und die veränderten Hormonspiegel konnten in Studien bisher nicht sicher nachgewiesen werden.
Glykogen-Hypothese
Niedrige Glykogenspeicher behindern das Training mit hohen Intensitäten. Daraus entwickelte sich die Theorie, dass eine Glykogenverarmung zu Übertraining führen könnte. Jedoch gehen niedrige Glykogenspeicher nicht immer mit Übertraining einher und Übertraining kann auch bei vollen Glykogenspeichern auftreten.
Quellen
Carfagno, D. G., & Hendrix, J. C. (2014). Overtraining syndrome in the athlete: current clinical practice. Current sports medicine reports, 13(1), 45-51.