Sepsis-3 – die neue Definition der Sepsis

Sepsis auf Intensivstation

Nachdem sich seit 1991 nichts Wesentliches an den Definitionen von Sepsis und septischem Schock geändert hat, gab es 2016 eine Aktualisierung, die als „Sepsis-3“ bekannt ist. Diese verfolgt das Ziel, das Bewusstsein für Sepsis in der Allgemeinbevölkerung zu stärken und Ärzten eine frühere Diagnose und Therapie bei betroffenen Patienten zu ermöglichen. Was die neue Definition besagt, erfährst du hier.

Auf einen Blick

  • 2016 wurden die Sepsis-Definition und die Diagnosekriterien aktualisiert.
  • Sepsis ist nun als eine lebensbedrohliche Organdysfunktion aufgrund einer übermäßigen Antwort des Körpers auf eine Infektion definiert.
  • Die Diagnose wird bei einem Anstieg des SOFA-Scores um 2 Punkte gestellt.
  • Der septische Schock ist eine Unterform der Sepsis, bei der zirkulatorische und zelluläre Stoffwechselstörungen stark genug sind, um die Sterblichkeit wesentlich zu erhöhen
  • Zusätzlich wurde der quickSOFA-Score eingeführt, um gefährdete Patienten möglichst früh zu erkennen.


Sepsis ist eine potentiell tödliche Erkrankung, insbesondere wenn sie nicht rechtzeitig erkannt und behandelt wird. Trotz Fortschritten in der Behandlung von Infektionen ist es immer noch die häufigste Todesursache bei Infektionen.

Die neue Definition der Sepsis

Die neue Definition besagt, dass Sepsis eine lebensbedrohliche Organfunktionsstörung aufgrund einer übermäßigen Antwort des Körpers auf eine Infektion ist (im Original „life-threatening organ dysfunction due to a dysregulated host response to infection“). Daraus werden nicht nur die fehlerhafte Reaktion des Organismus, sondern auch die potentielle Letalität und der dringende Handlungsbedarf deutlich. Auch wenn die SIRS-Kriterien damit für die Definition nicht mehr relevant sind, können sie beim Erkennen einer Infektion helfen. Sie sind aber eher Ausdruck einer adäquaten Entzündungsreaktion, für die Sepsis ist aber die übermäßige Reaktion typisch.

Sepsis und septischen Schock diagnostizieren

Nach Sepsis-3 wird die Diagnose anhand des SOFA-Scores gestellt. Eine Organfunktionsstörung liegt bei einer Zunahme des SOFA-Scores um 2 Punkte vor. Als Ausgangswert sollte 0 angenommen werden, es sei denn es sind Vorerkrankungen bekannt, die zu einem höheren Ausgangswert führen. Unter Krankenhauspatienten, bei denen eine Infektion vermutet wurde, hatten diejenigen mit 2 oder mehr Punkten eine Mortalität von ungefähr 10%. Das ist mehr als die Krankenhaussterblichkeit beim ST-Hebungs-Infarkt (STEMI; 8,1%). Hier wird nochmal die Ernsthaftigkeit dieser Erkrankung deutlich. Abhängig vom Ausgangsrisiko erhöhte ein SOFA-Score ≥ 2 das Sterberisiko um das 2- bis 25-fache.

Die Diagnose eines septischen Schocks kann dann gestellt werden, wenn eine Sepsis diagnostiziert wurde und trotz adäquatem Volumenstatus

  1. Vasopressoren erforderlich sind, um einen mittleren arteriellen Druck (MAP) ≥ 65 mmHg aufrecht zu erhalten und
  2. ein Serumlaktat ≥ 2 mmol/l vorliegt.

Sepsis in der Notaufnahme

quickSOFA – Patienten mit erhöhtem Risiko erkennen

Mit der neuen Definition wurde auch der quickSOFA-Score (qSOFA) eingeführt. Dieser vergibt zwischen 0 und 3 Punkten und wird ab zwei Punkten als positiv betrachtet. Dabei gibt es jeweils einen Punkt für

  • systolischer Blutdruck ≤ 100 mmHg
  • verändertes Bewusstsein (GCS < 15) und
  • Atemfrequenz ≥ 22/min.

Der qSOFA soll dabei helfen, Patienten mit Infektionen zu identifizieren, die wahrscheinlich schlechtere Verläufe darbieten. Schlechterer Verlauf meint hier, dass verlängerte Aufenthalte auf Intensivstation wahrscheinlich sind und die Sterblichkeitsrate erhöht ist. Der qSOFA ist für die schnelle Einschätzung von Patienten außerhalb der Intensivstation bestimmt. Das schlechtere Abschneiden auf Intensivstationen liegt wahrscheinlich an der Beeinflussung der Parameter durch die Intensivtherapie.

Wenn ein Patient mit einem quickSOFA ≥ 2 auffällt, sollten mögliche Organfunktionsstörungen durch die Bestimmung des SOFA abgeklärt werden. Des Weiteren sollte eine angemessene Therapie eingeleitet oder eskaliert werden und der Patient auf eine Intensivstation verlegt oder zumindest die Überwachung intensiviert werden. Wenn bisher noch keine Infektion bekannt war, ist bei einem positiven qSOFA die Abklärung einer möglichen Infektion gefordert.

Abschließende Worte

Abschließend bleibt zu sagen, dass weder qSOFA noch SOFA als alleinige Sepsis-Definitionen fungieren. Ein negativer Score sollte also eine als nötig erachtete Therapie nicht verzögern. Weiterhin sind die neuen Definitionen als „work in progress“ zu verstehen, die sich mit dem zunehmenden Verständnis über die Vorgänge bei einer Sepsis verändern werden.

Quellen

Singer, M., Deutschman, C. S., Seymour, C. W., Shankar-Hari, M., Annane, D., Bauer, M., Bellomo, R., Bernard, G. R. , Chiche, J. , Coopersmith, C. M. , Hotchkiss, R.S. , Levy, M. M. , Marshall, J. C. , Martin, G. S. , Opal, S. M., Rubenfeld, G. D., Poll, T. v. d., Vincent, J. & Angus, D. C. (2016). The third international consensus definitions for sepsis and septic shock (sepsis-3). Jama, 315(8), 801-810.

Jonathan Häußer
Über Jonathan Häußer 124 Artikel
Jonathan Häußer ist Arzt in der Weiterbildung zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und Sportwissenschaftler (B.A. Bewegungswissenschaft) mit einem besonderen Interesse für die Sport- und Notfallmedizin.