Schaden Schmerzmittel (NSAR) dem Heilungsprozess?

Schmerzmittel behindern die Heilung

Schmerzmittel (NSAR) sind weit verbreitete und gut wirksame Medikamente. In letzter Zeit gibt es aber zunehmend Hinweise, dass sie neben Entzündungen auch den Heilungsprozess hemmen. Hier schauen wir uns an, ob und bei welchen Geweben das wirklich der Fall ist.

Auf einen Blick

  • Die meisten Schmerzmittel (NSAR) hemmen die Cyclooxygenase und führen dadurch zu einer Schmerzlinderung, Fiebersenkung und Entzündungshemmung.
  • NSAR und vor allem COX-2-Hemmer beeinträchtigen die Knochenheilung vor allem an Röhrenknochen.
  • Damit einher geht auch ein nachteiliger Effekt auf die Heilung am Sehnenansatz.
  • Bänder und Sehnen an sich scheinen aber nicht in Ihrer Heilung gehemmt zu werden.

Wie wirken Schmerzmittel?

Die gängigen Schmerzmittel wie Ibuprofen, ASS und Diclofenac besitzen sowohl eine schmerzlindernde als auch fiebersenkende und entzündungshemmende Wirkung. Diese Wirkung kommt durch eine Hemmung der Cyclooxygenase (COX) zustande. Man unterscheidet zwischen der COX-1 und der COX-2, die bei Entzündungen vermehrt gebildet wird. Beide stellen aus der Arachidonsäure verschiede Prostaglandine her. Prostaglandine verstärken die Schmerzwahrnehmung, fördern die Entzündungsreaktion und sind an der Fieberentstehung beteiligt. Wenn man mit den oben genannten Medikamenten nun die Cyclooxygenase hemmt, werden weniger Prostaglandine produziert und dadurch Schmerzen gelindert, Fieber gesenkt und Entzündungen gehemmt.

NSAR und Cyclooxygenase

Einfluss auf die Heilung des Knochens

Wenn ein Knochen bricht, füllt der Körper den Frakturspalt zunächst mit Knorpel. Dieser verknöchert dann langsam. Dies nennt man auch enchondrale Ossifikation und Schmerzmittel hemmen genau diese. Da dieser Verknöcherungsmechanismus vor allem von der COX-2 abhängt, sind selektive COX-2-Hemmer (z.B. Celecoxib) besonders schädlich für die Knochenheilung. Dieser Zusammenhang konnte sowohl bei Tieren als auch bei Menschen gezeigt werden.

Vor allem bei Hüft-OPs wird Indomethacin, ein weiteres NSAR, zur Vermeidung der Knochenbildung im Gewebe (heterotope Ossifikation) eingesetzt. In einer Studie wurde die Wirksamkeit von Indomethacin mit einer lokalen Bestrahlung verglichen. Beide Therapien wirkten gleich gut in Hinsicht auf die heterotope Ossifikation. Es fiel aber etwas bei den Studienteilnehmern auf, die sich neben der Hüfte auch Röhrenknochen gebrochen hatten. Von diesen Patienten entwickelten 27% derer mit Indomethacin-Therapie eine Knochenheilungsstörung. Bei den Patienten, die kein Indomethacin erhielten waren es nur 7%. Letztendlich liegt es nahe, dass NSAR auch die Knochenheilung beeinträchtigen können, wenn sie schon zur heterotopen Ossifikationsprophylaxe eingesetzt werden.

Wirkungen auf Sehnen und Bänder

Für eine gute Heilung von Sehnen und Bändern sind vier Dinge von Bedeutung:

  1. Die Wiederherstellung der mechanischen Eigenschaften
  2. Sehnen müssen innerhalb der Sehnenscheiden frei gleiten können.
  3. Es muss eine ausreichende Festigkeit gegeben sein, um Instabilitäten zu verhindern.
  4. Wenn der knöcherne Ansatz in Mitleidenschaft gezogen wurde, müssen auch dessen mechanische Eigenschaften wiederhergestellt werden.

NSAR haben in einigen Studien zwar negative Auswirkungen auf die Entwicklung von Sehnenzellen gezeigt, jedoch war die Kollagensynthese erhöht. Diese beiden Effekte halten sich wahrscheinlich in etwa die Waage und die mechanische Stabilität scheint durch NSAR nicht beeinträchtigt.

Zu den Gleiteigenschaften und der Stabilität gibt es bisher nur sehr wenige Studien. Die Gleiteigenschaften waren dort entweder unverändert oder besser bei der Behandlung mit NSAR. Allerdings scheinen sie die Stabilität eher zu verringern. In der Gesamtschau wird die Sehnenheilung aber eher nicht durch NSAR behindert.

Am Sehnenansatz sieht die Sache wieder anders aus. In mehreren Tierstudien konnte eine verminderte Belastbarkeit der Sehnenansätze nach einer operativen Befestigung am Knochen bei NSAR-Behandlung nachgewiesen werden. Da die Einheilung der Sehne in den Knochen einen aktiven Knochenstoffwechsel benötigt, kommt hier wahrscheinlich wieder der negative Effekt auf die Knochenheilung zu tragen.

Wie sind NSAR einzusetzen?

Auch wenn NSAR ein nicht unerhebliches Nebenwirkungsprofil besitzen und Heilungsverläufe verlängern können, ist nicht grundsätzlich von deren Einsatz abzuraten. Dabei sollte man sich klarmachen, ob man ein Schmerzmittel wegen seiner schmerzlindernden oder entzündungshemmenden Wirkung benötigt. Evidenzbasierte Empfehlungen gehen dahin, zur Linderung von Schmerzen Paracetamol als Therapie der ersten Wahl zu empfehlen. NSAR sollten bei entzündlichen Veränderungen wie z.B. Impingement, Arthritis oder Sehnenscheidenentzündungen eingesetzt werden. Bei Frakturen und chronischen Sehnenbeschwerden (Tendinopathien) ist aber Zurückhaltung geboten.

Zusammenfassung

NSAR behindern die Knochenheilung, was sich sowohl bei Frakturen als auch bei Verletzungen des Sehnenansatzes zeigt. Im Einzelnen obliegt es aber dem Arzt abzuwägen, ob NSAR nötig sind und ob eine ausreichende Schmerzlinderung auch mit Alternativen wie z.B. Paracetamol zu erreichen ist.

Quellen

Paoloni, J. A., Milne, C., Orchard, J., & Hamilton, B. (2009). Non-steroidal anti-inflammatory drugs in sports medicine: guidelines for practical but sensible use. British journal of sports medicine, 43(11), 863-865.

Su, B., & O’Connor, J. P. (2013). NSAID therapy effects on healing of bone, tendon, and the enthesis. Journal of applied physiology, 115(6), 892-899.

Jonathan Häußer
Über Jonathan Häußer 123 Artikel
Jonathan Häußer ist Arzt in der Weiterbildung zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und Sportwissenschaftler (B.A. Bewegungswissenschaft) mit einem besonderen Interesse für die Sport- und Notfallmedizin.