
In den letzten Jahren wurden Gehirnerschütterungen im Sport immer häufiger thematisiert – besonders im Zusammenhang mit Spätfolgen. Um diese zu vermeiden ist es besonders wichtig, eine Gehirnerschütterung schnell zu erkennen und den Patienten einer ärztlichen Behandlung zuzuführen.
Auf einen Blick
- Diagnostik und Therapie von Gehirnerschütterungen sind sehr anspruchsvoll.
- Bei Verdacht auf Gehirnerschütterung ist es wichtig, dass der Patient zeitnah einen Arzt sieht.
- Das Concussion recognition tool 5 (CRT5) erleichtert Laien das Erkennen von Gehirnerschütterungen und bietet Kriterien, anhand derer entschieden werden kann, ob und wie schnell ein Arzt aufzusuchen ist.
Die Gehirnerschütterung
Die Gehirnerschütterung im Sport wird durch ein traumatisches Ereignis ausgelöst, bei dem eine große Kraft auf den Kopf wirkt. Infolgedessen können Symptome wie neurologische Störungen und Bewusstlosigkeit auftreten. Die Symptome dürfen dabei nicht durch andere Ursachen wie Medikamente, Alkohol oder andere Erkrankungen zu erklären sein. Bei der Gehirnerschütterung handelt es sich um eine funktionelle Störung ohne strukturelle Veränderungen des Gehirns.
Die Gehirnerschütterung im Sport gehört In Hinsicht auf Diagnostik und Therapie zu den anspruchsvollsten Erkrankungen. Besteht der Verdacht einer Gehirnerschütterung, sollte der Sportler aus dem Spiel oder Training genommen und untersucht werden.
Concussion recognition tool 5©
Damit auch Laien Gehirnerschütterungen erkennen können, gibt es nun das Concussion recognition tool 5 (CRT5) entwickelt. Das CRT5 ist eine Art systematische Checkliste, die ein stufenweises Vorgehen ermöglicht. Das englische Original ist unter dx.doi.org/10.1136/bjsports-2017-097508CRT5 zu finden. Das Tool ist nicht dafür entwickelt, die Diagnose zu stellen, sondern reicht nur um den Verdacht einer Gehirnerschütterung auszusprechen. Für die Diagnostik gibt es das Sport concussion assessment tool.
„Red Flags“
Im ersten Schritte geht es um Warnzeichen – sogenannte „Red Flags“. Liegen diese vor, ist ein schneller ärztlicher Kontakt unerlässlich. Ist kein Arzt vor Ort, sollte der Patient daher mit dem Rettungsdienst ins nächste Krankenhaus gefahren werden. Zu den „Red Flags“ gehören:
- Nackenschmerzen oder Druckschmerz im Nacken
- Doppelbilder
- Kraftverlust, Kribbeln oder Brennen in den Armen oder Beinen
- Starke oder zunehmende Kopfschmerzen
- Krampfanfälle
- Bewusstlosigkeit
- Verschlechterung des Bewusstseinszustandes
- Erbrechen
- Zunehmende Unruhe oder Aggressivität
Beobachtungen
Liegen keine „Red Flags“ vor, sollte auf andere Zeichen geachtet werden. Folgende Beobachtungen stellen einen Anhalt für eine Gehirnerschütterung dar:
- Regungsloses Liegenbleiben auf dem Spielfeld
- Nur langsames Aufstehen nach einem direkten oder indirekten Kopftreffer
- Der Sportler ist nicht orientiert oder verwirrt bzw. antwortet nicht adäquat auf Fragen
- Leerer oder ausdrucksloser Blick
- Gang- oder Gleichgewichtsstörungen, Stolpern oder langsame, mühevolle Bewegungen
- Gesichtsverletzungen
Erfragte Symptome
Zudem gibt es eine ganze Reihe an Symptomen, die Hinweis für eine Gehirnerschütterung sein können. In diesem 3. Schritt erfragt man:
- Kopfschmerzen
- Druck im Kopf
- Gleichgewichtsstörungen
- Übelkeit oder Erbrechen
- Schläfrigkeit/Benommenheit
- Schwindel
- Verschwommen-Sehen
- Erhöhte Licht- und Geräuschempfindlichkeit
- Erschöpfung
- „Sich nicht gut fühlen“
- Erhöhte Reizbarkeit
- Traurigkeit
- Nervosität oder Unruhe
- Nackenschmerzen
- Schwierigkeiten sich zu konzentrieren
- Erinnerungslücken
- Sich verlangsamt fühlen
- Sich „wie in einem Nebel“ fühlen
Erinnerungsvermögen
Bei Sportlern, die älter als 12 Jahre sind, sollte zudem das Erinnerungsvermögen überprüft werden. Die Fragen sind an die jeweilige Sportart anzupassen. Wenn der Sportler die Fragen nicht richtig beantworten kann, deutet dies ebenfalls auf eine Gehirnerschütterung hin.
- Wo sind wir heute?
- In welcher Spielhälfte befinden wir uns?
- Wer hat zuletzt gepunktet?
- Gegen welche Mannschaft hast du letzte Woche/im letzten Spiel gespielt?
- Hat deine Mannschaft das letzte Spiel gewonnen?
Erstmaßnahmen
Sportler, bei denen eine Gehirnerschütterung vermutet wird, sollten
- Mindestens für die ersten 1-2 Stunden nicht alleine gelassen werden
- Keinen Alkohol trinken
- Keine Medikamente einnehmen
- Nicht alleine nach Hause gehen. Die Begleitung durch einen verantwortungsvollen Erwachsenen, ist unerlässlich.
- Kein Kraftfahrzeug fahren, bis ein Arzt sie dafür freigegeben hat.
Jeder Sportler mit Verdacht auf Gehirnerschütterung sollte sofort aus dem Spiel oder Training genommen werden und nicht wieder zurückkehren, bis ein Arzt ihn dafür freigegeben hat – auch wenn keine Symptome mehr bestehen.
Zusammenfassung
Auch aufgrund der Gefahr von Langzeitschäden ist es wichtig, Gehirnerschütterungen zu erkennen und angemessen zu behandeln. Da beim Sport nicht immer ein Arzt anwesend sein kann, bietet das Concussion recognition tool 5 auch Laien eine gute Möglichkeit zu entscheiden, wann ein Sportler zum Arzt muss.
Quellen
Concussion recognition tool 5©. (2017). Br J Sports Med, bjsports-2017-097508CRT5. https://doi.org/10.1136/bjsports-2017-097508CRT5
Echemendia, R. J., Meeuwisse, W., McCrory, P., Davis, G. A., Putukian, M., Leddy, J.,. . . Herring, S. (2017). The Concussion Recognition Tool 5th Edition (CRT5). Br J Sports Med, bjsports-2017-097508. https://doi.org/10.1136/bjsports-2017-097508
McCrory, P., Meeuwisse, W., Dvorak, J., Aubry, M., Bailes, J., Broglio, S.,. . . Vos, P. E. (2017). Consensus statement on concussion in sport—the 5th international conference on concussion in sport held in Berlin, October 2016. Br J Sports Med, bjsports-2017-097699. https://doi.org/10.1136/bjsports-2017-097699
Sport concussion assessment tool – 5th edition. (2017). Br J Sports Med, bjsports-2017-097506SCAT5. https://doi.org/10.1136/bjsports-2017-097506SCAT5