
Kreuzbandrisse sind eine häufige Verletzung vor allem bei jungen und sportlich aktiven Patienten. Alleine in den USA gibt es etwa 200.000 Verletzungen pro Jahr, weltweit über 2 Millionen. Diese entstehen meistens bei Sportarten wie Fußball, Ski fahren oder Basketball. 98% der Chirurgen empfehlen die Operation, aber ist das wirklich nötig?
Auf einen Blick
- Die Frage, ob eine Kreuzband-OP Vorteile gegenüber einer konservativen Behandlung hat, wurde bisher in der wissenschaftlichen Literatur nur sehr unzureichend behandelt.
- Die wenigen vorhandenen Studien konnten aber keinen Nachteil einer konservativen Behandlung zeigen.
- Möglicherweise ist die Qualität der Reha für das Ergebnis viel entscheidender.
Wofür benötigen wir die Kreuzbänder?
Das vordere und hintere Kreuzband liegen im Kniegelenk und verlaufen über Kreuz – daher auch der Name. Beide haben eine wichtige stabilisierende Funktion für das Knie in Stand und Gang. Das vordere Kreuzband verhindert dabei vor allem die Vorwärtsbewegung des Scheinbeins gegenüber dem Oberschenkel (die anteriore Translation der Tibia in der Sagittalebene).
Bei Kreuzbandrissen sind in 90 % der Fälle auch andere Strukturen mitgeschädigt. Meistens treten begleitend Seitenband- oder Meniskusverletzungen sowie Verletzungen des subchondralen Knochens auf. Um all das darzustellen, ist das MRT diagnostisches Mittel der Wahl.
Langfristig kann durch eine solche Verletzung eine Instabilität im Kniegelenk mit einem sogenannten giving way-Phänomen verbleiben (man hat das Gefühl, dass der Unterschenkel wegrutscht). Außerdem sind Beschwerden durch Meniskus- oder Knorpelschäden möglich und es gibt Hinweise auf eine reduzierte Lebensqualität sowie ein verringertes Aktivitätsniveau nach einer solchen Verletzung. Das Risiko einer sekundären Arthrose besteht am ehesten unabhängig von dem gewählten Behandlungsverfahren.
Wie behandelt man einen Kreuzbandriss?
Bei der konservativen Therapie stehen in der Akutphase die Kühlung, Schmerztherapie und die Ruhigstellung mittels Orthese an erster Stelle. Für den Erhalt der Gelenkbeweglichkeit ist auch eine Behandlung auf der Motorschiene sinnvoll. Daran schließt sich eine Übungsbehandlung an, die eine Verbesserung der Muskelkraft und der funktionellen Stabilität zum Ziel hat. Im Weiteren geht es um das Wiedererreichen der vorherigen Belastbarkeit und um die Prophylaxe von Wiederverletzungen.
Sportlern wird allerdings meistens zu einer Operation geraten, die konservative Behandlung ist eher der etwas älteren Normalbevölkerung vorbehalten. Ziel der OP ist die Wiederherstellung der Kreuzbandfunktion, während bei der konservativen Therapie die Übernahme der Kreuzbandfunktion durch andere Strukturen insbesondere der kniegelenksumfassenden Muskulatur erreicht werden soll.
Ist die Operation oder die konservative Behandlung besser?
Während unzählige Studien existieren, die verschiedene OP-Techniken vergleichen, gibt es zu dieser Fragestellung interessanterweise nur sehr wenige Studien. Ein Cochrane-Review fand nur eine randomisierte kontrollierte Studie. Diese beinhaltete 121 sportlich aktive Erwachsene zwischen 18 und 35 Jahren, die Kreuzbandrisse ohne höhergradige Begleitverletzungen hatten.
Die eine Gruppe erhielt innerhalb der ersten 10 Wochen eine Kreuzbandplastik – entweder mit der Patellarsehne oder der Semitendinosus/Gracilis-Sehne – mit anschließender Rehabilitation. Die zweite Gruppe begann eine Reha ohne vorherige OP, allerdings mit der Option sich später bei fortbestehenden Beschwerden operieren zu lassen.
Bei der Bewertung der subjektiven Kniefunktion (KOOS – Knee Injury and Osteoarthritis Outcome Score) fand man keinen Unterschied zwischen den beiden Gruppen – weder nach 2 noch nach 5 Jahren. In der konservativen Gruppe wurde von mehr Komplikationen wie Instabilität und Meniskusbeschwerden berichtet und viele Probanden in dieser Gruppe entschieden sich im Verlauf noch für eine Operation (39% nach 2 und 51% nach 5 Jahren). Leider gab es bei den Ergebnissen keine Unterscheidung zwischen den wirklich konservativ behandelten und den sekundär operierten in der konservativen Gruppe.
Es gab keine signifikanten Unterschiede bei der Lebensqualität, Aktivität und Rückkehr zum gleichen sportlichen Niveau wie vor der Verletzung, wobei letztere mit 39,7% nach zwei Jahren insgesamt eher niedrig war. Die klinische Kniestabilität (Lachmann, Pivot-shift, ap-Translation) war deutlich besser in der OP-Gruppe. Das Arthroserisiko unterschied sich nicht signifikant, war aber tendenziell bei den operierten größer (35% vs. 18%). Dieser Trend zeichnete sich bereits in früheren Studien ab.
In einer anderen Veröffentlichung zeigte sich, dass bei deinem Teil der Patienten, das Kreuzband ohne OP heilte.
Gibt es noch weitere Studien zur konservativen Therapie von Kreuzbandverletzungen?
Eine weitere Übersichtsarbeit schloss auch nicht randomisierte Studien ein. Insgesamt waren die Studien aber auch hier von geringerer Qualität und Aussagekraft. Bei den konservativ Behandelten fand man hier weniger Beweglichkeitsdefizite, dafür aber vermehrt klinische Instabilität. Das wiedererlangte Aktivitätsniveau unterschied sich nicht. In einer der gesichteten Studien lag nach 5-10 Jahren ein besserer funktioneller Outcome bei Operation vor. Nach mehr als 10 Jahren gab es minimal mehr Kniegelenksarthrose bei operierten Patienten.
Eine andere Langzeitbeobachtung schlussfolgerte, dass eine OP eine gute Stabilität des Kniegelenks ermöglicht. Das Gefühl und das funktionelle Ergebnis hängen aber nicht von der Stabilität ab. Deshalb sollte man auch bei sportlich sehr aktiven Patienten die konservative Therapie erwägen.
Insgesamt ergibt sich kein Anhalt für die Überlegenheit einer OP, es gibt aber auch wenig wissenschaftliche Grundlagen für diese Annahme. Dabei ist auch zu bedenken, dass die Langzeitergebnisse von anderen operativen Techniken stammen als die meisten heute eingesetzten.
Reha ist entscheidend
In einem kürzlich veröffentlichen Beitrag im British Journal of Sports Medicine warfen die Autoren ein, dass vielleicht gar nicht die OP-Technik das entscheidende Kriterium für eine erfolgreiche Therapie ist. Die funktionellen und klinischen Ergebnisse unterscheiden sich schließlich kaum. Vor allem bei der konservativen Therapie hängen gute Ergebnisse eng mit besseren Kraftwerten zusammen. Wichtig ist, dass Patienten kontinuierlich am Therapieerfolg arbeiten und die Therapie nicht so wie viele (45%) nach 3 Monaten frühzeitig beenden. Die OP ist wichtig, wenn die Funktion nicht konservativ erreicht werden kann, aber wohl nicht entscheidend für das Outcome.
Auch bei Hochleistungssportlern können Kreuzbandrisse konservativ behandelt werden
Dass auch bei Hochleistungssportlern eine konservative Therapie von Erfolg gekrönt sein kann, zeigt ein Fallbericht aus BMJ case reports. Hier wird beschrieben, dass ein Fußballer aus der Premier League bereits knapp 8 Wochen nach Kreuzbandriss ohne OP wieder uneingeschränkt am Mannschaftstraining teilnehmen konnte. Mit Operation hätte es im besten Fall 6 Monate gedauert, wobei eher 9-12 Monate die Regel sind
Zusammenfassung
Tendenziell würde man jungen, aktiven Patienten eine OP empfehlen, da ein hoher Aktivitätsgrad nach Operation wahrscheinlicher ist. Dies ist aber immer eine Einzelfallentscheidung. Vor allem wenn keine größeren Begleitverletzungen vorliegen und der Patient dies wünscht, kann auch hier konservativ behandelt werden. Bei älteren Patienten kann die konservative Therapie großzügiger eingesetzt werden. Entscheidend ist eine hohe Qualität der Rehabilitation.
Quellen