
Bei der Interpretation von Studienergebnissen sind auch die Studientypen von Bedeutung. So lassen manche Studientypen beispielsweise keine Aussagen zur Kausalität von Zusammenhängen zu. Außerdem hängt die Datenqualität davon ab, ob diese retrospektiv oder prospektiv gesammelt wurden. Hier beleuchten wir Stärken und Schwächen verschiedener Studientypen.
Auf einen Blick
- Die Wertigkeit von Studienergebnissen sind auch vom Studientyp abhängig.
- Die Datenqualität bei prospektiven Studien ist in der Regel besser als bei retrospektiven.
- Eine Kontrollgruppe ist wichtig um auszuschließen, dass beobachtete Effekte zufällig auftreten.
- Der Goldstandard für Interventionen ist die randomisierte, kontrollierte Studie.
Studientypen in der Primärforschung
Hier führt man die eigentlichen Studien durch. Grundsätzlich kann man diesen Bereich weiter in Grundlagenforschung, klinische Forschung und epidemiologische Forschung unterteilen. Allerdings überschneiden sich die Studienarten in diesen Bereichen.
Grundlagenforschung und Laborstudien
In der Grundlagenforschung finden Studien in der Regel im Labor statt. Das hat den Vorteil, dass man die Umgebungsvariablen sehr genau festlegen kann. Die Ergebnisse sind dadurch eindeutig auf die Veränderung der wenigen Variablen zurückzuführen, man spricht hier von interner Validität. Das ist gleichzeitig aber auch das Problem dieser Studien. Es stellt sich nämlich die Frage, inwiefern die Ergebnisse auf die reale Welt übertragen werden können, wo andere Umgebungsbedingungen herrschen. Genauso ist es immer fraglich, ob sich Ergebnisse aus Studien an Tieren auf den Menschen übertragen lassen. Im Fachjargon spricht man von externer Validität.
Klinische Studien – interventionell vs. nicht interventionell
Bei den klinischen Studien differenziert man weiter nach interventionellen bzw. experimentellen Studien und nicht interventionellen bzw. beobachtenden Studien. In interventionellen Studien sollen die Wirksamkeit oder die Auswirkungen eines bestimmten Therapieverfahrens (also der Intervention) untersucht werden, indem man zwei Gruppen vergleicht. Ohne eine Kontrollgruppe ließe sich nicht sagen, ob Effekte nicht auch ohne Intervention eingetreten wären. Ein kleines Beispiel:
Wir wollen untersuchen, ob Äpfel eine wirksame Behandlung bei Erkältungen sind. Wenn wir Patienten beobachten, die erkältet sind und Äpfel essen, werden wir beobachten, dass sie wieder gesunden. Ohne eine Vergleichsgruppe, die keine Äpfel ist, können wir aber nicht sagen, ob tatsächlich die Äpfel der Grund dafür waren. Es kann schließlich auch sein, dass sie ganz ohne Behandlung wieder gesund geworden wären.
Randomisierung, Placebo und Verblindung
Um die gemessenen Effekte auch auf die Intervention zurückführen zu können, dürfen sich die Gruppen, die man dabei vergleicht, am besten gar nicht unterscheiden. Unterschiede könnten zu Verzerrungen des Ergebnisses (bias) führen. Dem versucht man durch Randomisierung, also der zufälligen Verteilung der Probanden auf die Studiengruppen, zu begegnen. Bei der zufälligen Verteilung geht man davon aus, dass sich auch Faktoren, die das Studienergebnis beeinflussen können (im medizinischen Bereich z.B. Übergewicht, Rauchen, Bewegungsverhalten), gleichmäßig auf die Gruppen verteilen und damit das Ergebnis nicht mehr verfälschen.
Noch besser ist, wenn auch die Patienten nicht wissen, in welcher Gruppe sie sich befinden und ob sie die echte Behandlung (Verum) oder die Kontrollbehandlung erhalten. Das nennt man Verblindung. Idealerweise erhält eine Kontrollgruppe ein Placebo. Es ist bekannt, dass auch das Durchführen einer Behandlung – egal ob sie wirksam ist oder nicht – einen therapeutischen Effekt haben kann. So kann eine Gruppe, die unwirksame Zuckerkügelchen schluckt, ebenfalls schneller gesund werden als eine Gruppe, die keine Behandlung erhält. Das ist der Placeboeffekt. Eine wirksame Therapie muss besser als der Placeboeffekt sein. Wenn auch die Ärzte oder Forscher, die die Ergebnisse erheben, nicht wissen, in welcher Gruppe sich der Patient befindet, spricht man von Doppelblindstudien.
Aufgrund der erwähnten Zusammenhänge ist die randomisierte, kontrollierte Studie, im Idealfall mit Doppelverblindung, der Goldstandard für die Prüfung der Wirksamkeit bestimmter Therapieverfahren.
Beobachtende Studien
In nicht interventionellen Studien beobachtet man die Auswirkungen einer bestimmten Therapie auf Patientengruppen. Auch hier kann es eine Kontrollgruppe geben, allerdings werden die Probanden den Gruppen nicht zufällig zugeteilt. Darüber hinaus erfolgt die Datenerhebung meist retrospektiv. Das bedeutet, dass man eine Fragestellung entwickelt und dann Daten zum Behandlungsergebnis aus Patientenakten auswertet. Im Gegensatz dazu würden bei einer prospektiven Studie Daten erst nach Festlegung der Fragestellung erhoben. Vor allem bei seltenen Ereignissen (seltene Krankheiten) oder kleinen Patientengruppen (z.B. Hochleistungssportler) gibt es Einzelfallberichte (case report) oder Fallserien (case series). Hier fehlt allerdings die Kontrollgruppe, weshalb sie weniger aussagekräftig sind.
Epidemiologische Studien
In epidemiologischen Studien geht es meist um das Auftreten bestimmter Erkrankungen im zeitlichen Verlauf oder zu einem bestimmten Zeitpunkt. Wie auch bei den klinischen Studien kann man hier in interventionell und beobachtend unterscheiden. In Interventionsstudien untersucht man die Auswirkung bestimmter Veränderungen auf Personen aus einem bestimmten Gebiet (Feldstudien) oder aus einer speziellen Gruppe (Gruppenstudien). Zwar ist diese Studienart weniger aussagekräftig als randomisierte, kontrollierte Studien, es kann aber z.B. aus ethischen Gründen nicht möglich sein, eine Randomisierung durchzuführen. Das ist u.a. dann der Fall, wenn die zu untersuchende Intervention schädlich ist.
Be i den Beobachtungsstudien teilt man weiter in Kohortenstudien, Fall-Kontroll-Studien und Querschnittsstudien ein. Wird die Häufigkeit bestimmter Krankheiten nur zu einem einzigen Zeitpunkt festgestellt, spricht man von Querschnittsstudien oder Prävalenzstudien. In Kohortenstudien werden größere Gruppen über einen bestimmten Zeitraum begleitet und Daten in der Regel prospektiv erhoben. Dabei unterscheiden sich die Gruppen in einem Merkmal (z.B. Raucher und Nichtraucher) und werden daraufhin untersucht, wie häufig bestimmte Erkrankungen auftreten. Fall-Kontroll-Studien können nützlich sein, um Risikofaktoren für bestimmte Erkrankungen zu identifizieren. Dabei vergleicht man Fälle, also Menschen mit einer bestimmten Erkrankung, mit Kontrollen, als Menschen, die diese Erkrankung nicht haben. In die Vergangenheit gerichtet, kann man nun erheben, inwiefern Probanden aus Fall- und Kontrollgruppe bestimmten Risikofaktoren ausgesetzt waren. Für die Risikofaktoren kann man dann ein Chancenverhältnis (odds ratio) ausrechnen. Diese gibt an, wie groß die Chance ist, bei gegebener Exposition (z.B. Rauchen) an einer Erkrankung (z.B. Lungekrebs) zu erkranken.
Studientypen in der Sekundärforschung
Die Sekundärforschung beschäftigt sich damit, die zu einem bestimmten Zeitpunkt verfügbaren Studien zu einem Gesamtbild zusammenzusetzen. Man kann sich das so vorstellen, dass die Puzzleteile (einzelne Studien) zusammengesetzt werden, um das große Ganze zu sehen. Die Studientypen, die hier zum Einsatz kommen sind Reviews und Metaanalysen. In Reviews werden die Studien zu einem bestimmten Thema zusammengefasst und damit ein Überblick gegeben, wie der aktuelle Forschungsstand zu einem Thema ist. Die Metaanalyse geht noch einen Schritt weiter. Sie berechnet aus den Ergebnissen der einzelnen Studien ein Gesamtergebnis. Dadurch kommt man auf eine größere und aussagekräftigere Stichprobe. Allerdings kann die Heterogenität der einzelnen Studien die Aussagekraft einer Metaanalyse einschränken.
Zusammenfassung
Um Studienergebnisse sicher interpretieren zu können, ist es wichtig die Stärken und Schwächen bestimmter Studiendesigns zu kennen. Der Goldstandard ist die randomisierte, kontrollierte Studie. Jedoch es nicht möglich, zu jeder Fragestellung eine randomisierte, kontrollierte Studie durchzuführen. Für alle weiteren Studien gilt, dass eine Kontrollgruppe die Aussagekraft erhöht. Zudem sind die Daten einer prospektiven Studie hochwertiger als die von retrospektiven Studien.
Quellen