
Beim Patellaspitzensyndrom – auch als Jumper’s Knee bekannt – treten Schmerzen am unteren Rand der Kniescheibe auf. Es wird in erster Linie konservativ mit Trainingstherapie behandelt. Hier gibt es neben anderen Therapieverfahren verschieden Übungen und Rehabilitationsprogramme. Nur wenn damit keine Besserungen eintreten, kommt eine OP in Frage.
Auf einen Blick
- Das Patellaspitzensyndrom geht mit Schmerzen am unteren Patellapol, also am unteren Rand der Kniescheibe einher. Die Diagnose kann sonographisch und im MRT bestätigt werden.
- Eine Entzündung im eigentlichen Sinne liegt nicht vor. Vielmehr findet man in der histologischen Untersuchung desorganisierte Kollagenfasern und Gefäßeinsprossungen.
- Die Verlaufsbeurteilung ist mit dem VISA-P Score möglich.
- Die Hauptkomponente der konservativen Therapie ist die Trainingstherapie, es stehen aber viele weitere Verfahren wie Bandagen, Orthesen und Infiltrationen z.B. mit PRP zur Verfügung.
- Eine Operation ist nur bei erfolgloser konservativer Therapie notwendig. Hier unterscheidet man zwischen offenen und arthroskopischen Operationen.
Epidemiologie
Der Begriff Jumper’s Knee wurde von Blazina et al. schon im Jahr 1973 geprägt, weil das Patellaspitzensyndrom hauptsächlich in Sprungsportarten auftritt (Aicale et al., 2020). Aber auch in Laufsportarten sind Patellarsehnentendinopathien häufig zu finden. Im Profisport sind bis zu 45%, im Amateursport bis zu 14% aller Sprungsportler im Laufe ihrer Karriere davon betroffen. Besonders häufig trifft es z.B. Volleyball- und Basketballspieler auf. In einer Erhebung an 50 norwegischen Hochleistungssportler hatten im Volleyball 32% und Basketball 45% der Sportler zum Erhebungszeitpunkt entsprechende Beschwerden.
Ein großes Problem ist dabei, dass es bis zu einem Drittel dieser Sportler nicht gelingt, innerhalb von sechs Monaten wieder in den Sport zurückzukommen. Andere Daten haben gezeigt, dass mehr als die Hälfte der Betroffenen mit dem Sport aufhören mussten und fast die Hälfte war nach 12 Monaten noch nicht wieder auf dem ursprünglichen Aktivitätsniveau angekommen.
Ursachen und Histologie
Die häufigste Ursache ist eine Überlastung der Sehne. Allerdings treten Sehnenprobleme auch bei inaktiven Patienten auf – also nicht nur bei Sportlern. Während man früher häufig von einer Tendinitis (Entzündung der Sehne) sprach, hat sich heute der Begriff Tendinopathie (Erkrankung der Sehne) durchgesetzt. Das liegt daran, dass in der histologischen Untersuchung der betroffenen Sehnen keine Zeichen einer Entzündung wie z.B. vermehrte Entzündungszellen zeigen. Vielmehr finden sich eine schlechtere Organisation der Kollagenfasern, eine vermehrte Gefäßbildung und eine schlechte Heilungstendenz.
Risikofaktoren
Es gibt verschiedene Risikofaktoren für das Patellaspitzensyndrom. Dazu gehören:
- Verspannungen von Quadrizeps und Hamstrings (hinterer Oberschenkelmuskulatur)
- Geringere Dorsalextension im Sprunggelenk
- Überpronation des Fußes
- Schlechte Gelenkkoordination
- Übergewicht
- Beinlängendifferenzen
- Gesteigertes Trainingsvolumen und -intensität beim Sprungtraining
- Training auf hartem Untergrund
Welche Beschwerden treten beim Jumper’s Knee auf?
Charakteristisch für das Patellaspitzensyndrom ist der vordere Knieschmerz, meistens am Unterrand der Kniescheibe. Dieser Schmerz am unteren Patellapol ist belastungsabhängig und nimmt mit der Streckung des Kniegelenks zu. Das ist besonders bei Aktivitäten der Fall, bei denen elastische Energie in der Sehne gespeichert wird (Laufen oder Springen). Bei Entlastung treten nur wenig Schmerzen auf.
Diagnostik beim Patellaspitzensyndrom
Bei der körperlichen Untersuchung finden sich häufig eine Verdickung der Sehne und Schmerzen am unteren Patellapol. Die krankhaft veränderten Regionen der Patellarsehne sind im Ultraschall echoarm darstellbar. Auch das MRT kann diese veränderten Sehnenanteile sichtbar machen. Der VISA-P Score ist nicht zur Diagnosestellung geeignet. Er bietet sich aber als Verlaufsinstrument an. Mit dem VISA-P Score können Fortschritte im Verlauf besser sichtbar gemacht werden.
Das Patellaspitzensyndrom erfolgreich behandeln
Es gibt viele Therapieformen – die einen sind besser, die anderen weniger gut untersucht. Primär ist das Jumper’s Knee aber eine Domäne der konservativen Therapie. Eine Operation kommt nur bei erfolgloser konservativer Therapie in Frage. Ziel ist die Steigerung der Belastungstoleranz zunächst durch Analgesie (Schmerzreduktion) und dann durch die zunehmende Belastungssteigerung.
Konservative Therapie
Zunächst ist es wichtig, die Belastung der Sehne zu reduzieren. Dazu ist aber keine absolute Sportkarenz notwendig. Es reicht in der Regel, vor allem das Volumen und die Frequenz von Lauf- und Sprungbelastungen zu reduzieren. Um die Biomechanik zu optimieren, sollte man von Beginn an daran arbeiten, muskuläre Dysbalancen zwischen Hamstrings und Quadrizeps (hinterer und vorderer Oberschenkelmuskulatur) ausgleichen. Dehnen und eine Verbesserung der Beweglichkeit können dies unterstützen (Aicale et al., 2020).
Unterstützend können physiotherapeutische Verfahren wie das myofasziale Release und die Querfriktionsmassage zum Einsatz kommen. Die Kryotherapie, also das Kühlen des Knies, kann die Schmerzen lindern und auch der pathologischen Neovaskularisation entgegenwirken (Aicale et al., 2020). Allerdings sollte man nicht direkt vor dem Training oder Wettkampf kühlen, da es den Schmerz maskieren und so zu einer übermäßigen Belastung führen kann.
Schmerzmittel sollten beim Jumper’s Knee differenziert eingesetzt werden
NSAR wie Ibuprofen oder Diclofenac können als Schmerzmittel kurzfristig zum Einsatz kommen. Ihr Nutzen wird aber kontrovers diskutiert, da langfristig ein negativer Effekt auf die Sehnenheilung möglich ist. Sie sollten daher nur kurzzeitig über einen Zeitraum von 7-14 Tagen angewandt werden (Aicale et al., 2020).
Orthesen, Bandagen und Taping können Schmerzen beim Patellaspitzensyndrom lindern
Patellarsehnenbandagen werden häufig verwendet. Sie können die Aktivität des Quadriceps, vor allem des M. vastus lateralis, reduzieren. Viele Studien haben kurzfristige Verbesserungen beim Schmerz feststellen können (Sisk et al., 2020).
Auch das Taping ist weit verbreitet. Ziel dabei ist es, die Belastung auf die proximale Sehne zu reduzieren. Allerdings gibt es hierzu fast keine Studien. Eine Studie (de Vries et al., 2015) zeigte eine signifikante Schmerzreduktion beim Tragen einer Patellarsehnenbandage und bei der Anlage eines Sporttapes (klassisches Tape) gegenüber einer Kontrollgruppe. Es war aber kein signifikanter Unterschied zum Shamtaping („sinnlos“ geklebtes Kinesiotape) festzustellen. Das Sporttape half auch, die Schmerzen während und 2 h nach dem Sport zu reduzieren (Sisk et al., 2020).
Injektionen
Die Injektion von verschiedenen Wirkstoffen in die Sehne ist weit verbreitet und relativ gut erforscht. Die Infiltration der Sehne mit Cortison wird nicht empfohlen. Es hat keine Langzeitvorteile gegenüber einem abwartenden Verhalten. Im Vergleich zu Trainingsinterventionen wie exzentrischem Training oder Heavy Slow Resistance-Training (HSR) sind nach 6 Monaten ebenfalls keine Vorteile mehr nachweisbar. Demgegenüber steht die Gefahr der Sehnenruptur. Cortison löst in der Sehne nämlich Umbauprozesse aus, die schwächere Fasertypen hinterlassen (Sisk et al., 2020).
PRP und Stammzelltherapie beim Patellaspitzensyndrom
PRP (platelet rich plasma) ist ein aus Eigenblut hergestelltes Präparat, was besonders reich an Thrombozyten ist. Die meisten Fallserien präsentieren gute Ergebnisse bei der Anwendung beim Patellaspitzensyndrom. Studien mit Kontrollgruppen liefern aber widersprüchliche Ergebnisse (Filardo et al., 2018). So war z.B. bei einer einmaligen Injektion im Vergleich zu Kochsalzlösung kein signifikanter Unterschied festzustellen. Im Vergleich zur extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT) war die PRP-Injektion aber überlegen. Und auch im Vergleich zu Dry Needling waren in der PRP-Gruppe größere Verbesserungen bei Schmerz und Funktion nach 12 Wochen festzustellen. Nach 26 Wochen war zwischen den Gruppen aber kein signifikanter Unterschied mehr vorhanden.
Die Anzahl der notwendigen Injektionen ist noch unklar. Mehrere Injektionen sind einer einmaligen Anwendung möglicherweise überlegen, allerdings gibt es hierzu auch nur eine randomisierte, kontrollierte Studie (Andriolo et al., 2019). Demgegenüber steht eine weitere randomisierte, kontrollierte Studie, die keine Vorteile der mehrfachen gegenüber der einmaligen Anwendung von PRP feststellen konnten (Filardo et al., 2018).
Insgesamt berichten viele Fallserien gute Ergebnisse, wobei die Ergebnisse der höherwertigen Studien nicht so eindeutig sind. Auch die Varianz bei den Studiendesigns erschwert die Interpretation der Ergebnisse, sodass hier noch keine klare Empfehlung für oder gegen PRP möglich ist.
Ein neuer Trend ist auch die Injektion von aus Fettgewebe gewonnenen Stammzellen. Da diese Therapie noch sehr neu ist, gibt es nur wenige, kleine Studien und somit ist die Datenlage noch nicht überzeugend. Ein systematisches Review zur Anwendung von Stammzellen bei Tendinopathien im Allgemeinen kam zu dem Schluss, dass diese Therapie aktuell nicht empfohlen werden kann (Sisk et al., 2020).
Weitere Injektionsbehandlungen beim Jumper’s Knee
Etwas vielversprechender sind High volume image-guided injections (HVIGI). Dabei spritzt man unter Ultraschallkontrolle größere Mengen Flüssigkeit an die Sehne. Das können 40-50 ml Flüssigkeit sein. Hier kommt meistens Kochsalzlösung zum Einsatz, teilweise werden auch auch Bupivacain, Cortison oder Aprotinin verwendet. Insgesamt sind die Studienergebnisse gut, allerdings gibt es bisher nur Fallserien, also keine Studien mit Kontrollgruppen.
Übungen für das Patellaspitzensyndrom
Es gibt zahlreiche Übungs- und Rehabilitationsprogramme, welche hier zu einem späteren Zeitpunkt ergänzt werden. Trainingstherapie ist der Hauptbestandteil der konservativen Therapie. Die am besten erforschten Trainingsformen sind exzentrisches Training und Heavy Slow Resistance Training.
Operative Therapie beim Patellaspitzensyndrom
Eine Operation ist nur in Ausnahmefällen notwendig. Sie ist nur indiziert, wenn eine längere konservative Therapie keine Erfolge zeigte. Dabei gibt es zwei etablierte OP-Verfahren: das offene und das arthroskopische Vorgehen. Die Erfolgsraten unterscheiden sich hier nicht wesentlich. Bei den Offenen Verfahren liegen diese bei 87% bei den arthroskopischen Verfahren bei 91%. Allerdings können arthroskopisch operierte Sportler schon nach 3,9 Monaten in ihren Sport zurückkehren, beim offenen Vorgehen erst nach 8,3 Monaten. Die Nachbehandlung unterscheidet sich nicht wesentlich voneinander (Muaidi, 2020).
Prognose
Die Prognose ist in der Regel gut. Allerdings kann das Patellaspitzensyndrom langwierig sein. Ein Return to sports ist in der Regel aber nach 3-9 Monaten möglich.
Patellaspitzensyndrom vorbeugen
Damit es gar nicht erst zu einem Patellaspitzensyndrom kommt, gibt es verschiedene Präventionsmöglichkeiten. Diese umfassen das Dehnen, Übungen zur Rumpfstabilität, die Versorgung mit Einlagen, vor allem stoßdämpfende Einlagen und die Hormonersatztherapie bei Frauen. Auch ein fußballspezifisches Gleichgewichtstraining konnte sich als hilfreich erweisen.
Zusammenfassung
Das Patellaspitzensyndrom tritt vor allem in Lauf- und Sprungsportarten auf – daher auch der Name Jumper’s Knee. Es geht mit Schmerzen an der proximalen Patellarsehne einher. Die Diagnose kann sonographisch und im MRT bestätigt werden. Die Hauptkomponente der konservativen Therapie ist die Trainingstherapie, dabei sind das exzentrische Training und das Heavy Slow Resistance Training die am besten untersuchten Trainingsformen. Es stehen aber viele weitere Verfahren wie Bandagen, Orthesen und Infiltrationen z.B. mit PRP zur Verfügung. Eine Operation ist nur bei erfolgloser konservativer Therapie notwendig. Hier unterscheidet man zwischen offenen und arthroskopischen Operationen.
Quellen
Aicale, R., Oliviero, A., & Maffulli, N. (2020). Management of Achilles and patellar tendinopathy: what we know, what we can do. Journal of Foot and Ankle Research, 13(1), 1-10.
Andriolo, L., Altamura, S. A., Reale, D., Candrian, C., Zaffagnini, S., & Filardo, G. (2019). Nonsurgical treatments of patellar tendinopathy: multiple injections of platelet-rich plasma are a suitable option: a systematic review and meta-analysis. The American journal of sports medicine, 47(4), 1001-1018.
Bahr, R., Fossan, B., Løken, S., & Engebretsen, L. (2006). Surgical treatment compared with eccentric training for patellar tendinopathy (jumper’s knee): a randomized, controlled trial. JBJS, 88(8), 1689-1698.
Breda, S. J., Oei, E. H., Zwerver, J., Visser, E., Waarsing, E., Krestin, G. P., & de Vos, R. J. (2020). Effectiveness of progressive tendon-loading exercise therapy in patients with patellar tendinopathy: a randomised clinical trial. British Journal of Sports Medicine.
de Vries, A., Zwerver, J., Diercks, R., Tak, I., van Berkel, S., van Cingel, R., … & van den Akker‐Scheek, I. (2016). Effect of patellar strap and sports tape on pain in patellar tendinopathy: a randomized controlled trial. Scandinavian journal of medicine & science in sports, 26(10), 1217-1224.
Filardo, G., Di Matteo, B., Kon, E., Merli, G., & Marcacci, M. (2018). Platelet-rich plasma in tendon-related disorders: results and indications. Knee Surgery, Sports Traumatology, Arthroscopy, 26(7), 1984-1999.
Malliaras, P., Barton, C. J., Reeves, N. D., & Langberg, H. (2013). Achilles and patellar tendinopathy loading programmes. Sports medicine, 43(4), 267-286.
Muaidi, Q. I. (2020). Rehabilitation of patellar tendinopathy. Journal of Musculoskeletal & Neuronal Interactions, 20(4), 535.
Sisk, D., & Fredericson, M. (2020). Taping, Bracing, and Injection Treatment for Patellofemoral Pain and Patellar Tendinopathy. Current Reviews in Musculoskeletal Medicine.