Diabetes durch Ernährung heilen

Diabetes heilen durch Ernährung

Kann man einen Typ 2 Diabetes wirklich nur durch die Ernährung besiegen? Ja, das geht wirklich – zwar nicht bei jedem, aber es geht. Wie diese Ernährung aussehen sollte und was man dabei zu beachten hat, schauen wir uns hier genauer an.

Auf einen Blick

  • Bei einem Typ 2 Diabetes kann mit einer Ernährungsumstellung eine Remission erreicht werden. Der Unterschied zur Heilung liegt darin, dass die Erkrankung wiederkommen kann.
  • Verschiedene Ernährungsformen sind möglich, unter anderem eine pflanzliche Vollwertkost. Zentral ist die Gewichtsreduktion.
  • Dabei sollten weitere Komponenten wie mehr körperliche Aktivität dieses Ziel unterstützen.
  • Wenn die Blutzuckerwerte sinken, sollte die medikamentöse Therapie nicht ohne den behandelnden Arzt abgesetzt werden.
  • Eine Remission ist nicht bei jedem möglich, trotzdem sollte sie das Ziel bei allen Diabetikern sein, insbesondere bei denen, deren Diagnose noch nicht länger als 4 Jahre besteht.

Diabetes mit der Ernährung besiegen?

Laut dem Bericht der Deutschen Diabetes Gesellschaft sind etwa 9% der Bevölkerung von einem Typ 2 Diabetes betroffen, in den USA liegt dieser Wert bei 10,5%. Die Folgen sind gravierend. Folgen dieser Erkrankung sind unter anderem Blindheit, Nierenversagen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen inklusive Atherosklerose und Herzinsuffizienz.

Zwar wäre es am besten, wenn ein Diabetes gar nicht erst auftritt, aber auch wenn die Diagnose bereits gestellt wurde, gibt es Hoffnung. Durch verschiedene Interventionen kann man eine Remission erreichen. Die Remission beschreibt dabei die Abwesenheit von Beschwerden und entsprechenden Untersuchungsbefunden. Remission bedeutet aber auch, dass ein Rezidiv möglich ist. Darin liegt der Unterschied zur Heilung. Bisher sind sich die Fachgesellschaften noch uneins, wie die Definition der Remission aussieht.

Ernährung statt Operation bei Diabetes?

Laut dem American College of Lifestyle Medicine (ACLM) kann die Remission mit einer vollwertigen Pflanzenkost am besten erreicht werden. Andere Fachgesellschaften setzen nicht unbedingt auf die Ernährung als eine primäre Intervention, um die Remission zu erreichen. Meistens werden eine Gewichtsreduktion, gesunde Lebensmittel und Energierestriktion empfohlen. Auch durch bariatrische Chirurgie kann man eine Remission erreichen. Dabei handelt es sich um Eingriffe, die eine Gewichtsabnahme zum Ziel haben, wie z.B. Magenverkleinerungen. Von diesen operierten Patienten erreichen 25-80% eine Remission. Lebensstilinterventionen mit einer Ernährungsumstellung, mehr Bewegung und Schlaf können zu ähnlichen Ergebnisse führen. Sie sind aber weniger komplikationsträchtig als solche Operationen.

Konsenspapier soll Klarheit schaffen

Um eine Orientierung zu bieten, wie auch mit Lebenstilveränderungen eine Remission erreicht werden kann, wurde ein Konsenspapier erstellt. Hier flossen Ergebnisse eine Literaturrecherche und Abstimmungen von Experten verschiedener Fachgesellschaften ein. Beteiligt waren neben dem dem American College of Lifestyle Medicine (ACLM) die American Association of Clinical Endocrinology (AACE), die American Academy of Family Physicians, das American College of Cardiology, die American Heart Association, die Academy of Nutrition and Dietetics (AND) und die Endocrine Society (ES). Als Konsens galt, wenn bei der Abstimmung über bestimmte Aussagen auf einer 9-stufigen Likert Skala ein Durchschnitt von 7,0 mit max. einem Ausreißer erreicht wurde. Dies war bei 69 von 131 Aussagen der Fall.

Definition der Remission

Remission beim Typ 2 Diabetes beschreibt das Verschwinden der damit verbundenen Beschwerden und Symptome. Definitionsgemäß liegt das vor, wenn normwertige Nüchternblutzucker- und HbA1c-Werte ohne Operationen, Gerätschaften oder Medikamente, die den Blutzucker senken, erreicht werden. Der HbA1c muss hierfür für mindestens 3 Monate unter 6,5% liegen. Eine Remission wird dabei immer von einem Wegfall oder einer Verbesserung der Insulinresistenz begleitet.

Eigentlich sollte die Remission bei jedem Patienten mit Typ 2 Diabetes das Ziel sein. Grundsätzlich ist sie ein realistisches und erreichbares Ziel, auch wenn es nicht alle Patienten erreichen werden. Unabhängig von dem Erreichen der Remission hat die Prävention von mikro- und makrovaskulären Komplikationen des Typ 2 Diabetes (Blindheit, Nierenversagen etc.) Priorität.

Ernährung und Remission von Typ 2 Diabetes

Damit eine Remission erreicht werden kann, sollte die Diabetes-Diagnose noch nicht allzu lange bestehen. Idealerweise wurde die Diagnose vor weniger als 4 Jahren gestellt. Bei länger bestehendem Diabetes (> 8 Jahre) ist die Remission schwieriger zu erreichen, da die Beta-Zell-Funktion häufig schon erschöpft ist. Beta-Zellen, sind die Zellen in der Bauchspeicheldrüse, die Insulin produzieren. Es schadet aber nicht, es trotzdem zu versuchen.

Eine Ernährungsintervention als primäre Therapie kann eine Remission bei vielen Erwachsenen – sowohl bei Übergewichtigen als auch bei Normalgewichtigen – herbeiführen. Die Ernährung ist ein Eckpfeiler der Therapie und kann in Kombination mit Medikamenten zum Einsatz kommen.

Ob durch eine Ernährungsintervention eine Remission erreicht werden kann, hängt von deren Intensität ab. Die Intensität der Ernährungsintervention wird durch den Grad der Restriktionen und durch die Häufigkeit des Arzt-Patienten-Kontaktes bestimmt. Bei einer solchen Ernährungsumstellung sollte man darauf achten, dass sie keine kurz- oder langfristigen Nebenwirkungen hat oder andere Erkrankungen verschlechtert. Sie sollte evidenzbasiert sein und von den meisten Patienten akzeptiert werden. Dabei können Diäten mit einer sehr geringen Kalorienzufuhr zum Einsatz kommen, das ist aber nicht essenziell. Ein hoher Ballaststoffgehalt ist aber ein wesentliches Charakteristikum einer solchen Intervention. Ein optimale Ernährungsform, um eine Remission zu erreichen, scheint es nach aktuellem Stand nicht zu geben.

Als eine Art netten Nebeneffekt können solche Ernährungsumstellungen auch das Risiko für Herzkreislauferkrankungen senken und das Lipoprotein-Profil verbessern.

Mit welcher Ernährung kann man den Diabetes besiegen?

Ein zentrales Merkmal der Ernährung, um einen Diabetes in die Remission bringen zu können, ist die Kalorienreduktion. Diese kann durch eine Reduzierung der Lebensmittelmenge, der Portionsgröße, der Energiedichte oder einer Kombination dieser Ansätze erreicht werden. Bei den Kohlenhydraten sollte der Schwerpunkt bei unverarbeiteten Kohlenhydraten liegen. Auch flüssige Mahlzeitenersatzprodukte können zum Einsatz kommen. Diese haben den Vorteil, dass es Patienten häufig leichter fällt, dranzubleiben.

Flüssiger Mahlzeitenersatz hilft beim Abnehmen

Mehrere Studien belegen die Wirksamkeit dieser flüssigen Mahlzeitenersatzprodukte. So konnten viel Probanden die Kalorienzufuhr reduzieren und Gewicht verlieren. Eine dieser Studien ist die DiRECT-Studie (Lean et al., 2018). Dort wurden 298 Patienten 2 Gruppen zugelost. Die Kontrollgruppe erhielt eine leitliniengerechte Standardbehandlung. In der Interventionsgruppe wurden Blutdruck- und Diabetesmedikamente abgesetzt und die normale Ernährung für 3-5 Monate durch flüssige Mahlzeiten ersetzt. Damit nahmen die Probanden nicht mehr als 825–853 kcal/Tag auf. Nach dieser Phase wurden über 2-8 Wochen wieder schrittweise feste Nahrungsmittel in die Ernährung aufgenommen. Darüber hinaus gab es Unterstützung, um das neue Gewicht auch langfristig zu halten.

In der Interventionsgruppe hatten 24% einen Gewichtsverlust von mehr als 15 kg nach 12 Monaten erreicht. 46% kamen mit ihrem Diabetes in die Remission. In der Kontrollgruppe war die Remission nur bei 4% festzustellen. Von denen, die mehr als 15 kg abnahmen, kamen sogar 86% in die Remission. Es gibt also einen klaren Zusammenhang zum Gewichtsverlust. Je mehr Gewicht man verliert, desto wahrscheinlicher ist die Remission. Auch nach 2 Jahren waren immer noch 36% in der Interventionsgruppe in der Remission, in der Kontrollgruppe nur 3% (Lean et al., 2019).

Rolle der pflanzlichen Vollwertkost bei Diabetes

Die Experten, die an dem aktuellen Konsenspapier beteiligt waren, waren sich darin einig, dass mit einer pflanzlichen Vollwertkost eine Remission besser erreicht werden kann als mit der amerikanischen Standarddiät. Die pflanzliche Vollwertkost besteht hauptsächlich aus Vollkornprodukten, Gemüse, Hülsenfrüchten, Obst, Nüssen und Samen, während tierische Lebensmittel und verarbeitete Lebensmittel einschließlich zugesetzter Fette auf ein Minimum reduziert werden. Eine solche Ernährungsform soll am effektivsten sein. Dabei kann es notwendig sein, energie- und kohlenhydratreiche Lebensmittel (Nüsse, Samen, Körner und stärkehaltiges Gemüse) zu reduzieren, um eine ausreichende Gewichtsreduktion zu erreichen.

Fraglich ist, ob auch eine pflanzliche Vollwertkost ohne Kalorienrestriktion zur Remission führen kann. Einige Experten berichteten davon, es gab hierzu aber noch keine Studien. Eine pflanzliche Vollwertkost führte in einer Studie zu einer 689 kcal geringeren Kalorienaufnahme als eine ketogene Ernährung (Hall et al., 2021). Die Patienten konnten in dieser Studie nach Belieben essen.

Gesamtheitliche Ernährungsformen statt Low Carb oder Low Fat

Auch andere Ernährungsinterventionen sind möglich. Dabei sollten gesamtheitliche Ernährungskonzepte wie eine mediterrane Ernährung, DASH-Diät oder pflanzliche Vollwertkost einer reinen Kalorienrestriktion oder der Reduktion einzelner Makronährstoffe (Low Carb, fettarm, viel Eiweiß) vorgezogen werden. Im Gegensatz zu hypokalorischen Diäten bietet eine pflanzliche Vollwertkost eine größere Zufriedenheit und Sättigung. Für eine langfristige Remission sollte man auf hochverarbeitete Lebensmittel weitgehend verzichten.

Das Risiko von Nebenwirkungen ist bei der Wahl der Ernährungsform zu berücksichtigen. Ketogene Diäten können nach Ansicht der Experten langfristig Nebenwirkungen verursachen. Daher empfehlen sie diese nicht für eine langfristige Anwendung. Allerdings gibt es noch keine Langzeitstudien zu ketogener Ernährung und somit sind diese Überlegungen noch etwas spekulativ. Zumindest im Tiermodell konnte mit ketogenen Diäten die Insulinsensitivität nicht wiederhergestellt werden.

Unterstützende und alternative Interventionen

Am wirksamsten ist die Umstellung der Ernährung, wenn sie von anderen Lebensstilveränderungen (z.B. mehr Bewegung) begleitet wird. Bei der Kombination aus einer Ernährungsintervention zusammen mit vermehrter körperlicher Aktivität ist eine Remission wahrscheinlicher. Die Ernährungsumstellung sollte man daher mit regelmäßiger Bewegung kombinieren. Auch ein Krafttraining hilft bei Diabetes. Darüber hinaus kann die Kombination mit intermittierendem Fasten oder Time Restricted Feeding eine Remission bei manchen Patienten begünstigen.

Unterstützung, Überwachung und Adhärenz

Welche Ernährungsform die richtige ist, ist individuell unterschiedlich. Daher sollte man verschiedene Optionen diskutieren und die Vorlieben und Werte der Patienten berücksichtigen. Auch kulturelle Einflüsse sind zu berücksichtigen. Begleitend sollte eine ausführliche Aufklärung der Patienten stattfinden. Eine Ernährungsberatung kann die Patienten dabei unterstützen, die Remission zu erhalten. Für den Erfolg ist auch eine empathische und unterstützende Kommunikationsweise des medizinischen Fachpersonals wichtig.

Hilfreich ist es ebenfalls, wenn Patienten ihren Fortschritt sehen können. So bleiben sie eher dabei. Selbst gemessene Blutzuckerwerte oder ein kontinuierliches Blutzuckermonitoring zeigen frühzeitig, wie sich die Blutzuckerwerte entwickeln. Diese Werte können dann Anlass sein, die Medikamente zu reduzieren. Wie schnell man die Diabetes-Medikamente reduzieren kann, hängt auch von der Intensität der Ernährungsintervention ab und sollte immer mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.

Gewichtsabnahme

Bei der Gewichtsreduktion sollte man Ziele eher in Prozent als in Kilogramm ausdrücken. Kilogrammwerte sind meist willkürlich. Es besteht bisher aber kein Konsens darüber, in welchem Zeitraum ein bestimmter Gewichtsverlust erreicht werden sollte.

Zusammenfassung

Man kann einen Typ 2 Diabetes mit einer Ernährungsumstellung in die Remission bringen. Dabei sollten weitere Komponenten wie mehr körperliche Aktivität dieses Ziel unterstützen. Wenn die Blutzuckerwerte sinken, sollte man die Medikamente nicht ohne Rücksprache mit dem Arzt absetzen. Leider ist die Remission nicht bei jedem möglich und Lebensstilinterventionen werden im deutschen Gesundheitssystem noch unzureichend berücksichtigt und finden daher nur langsam den Weg in die medizinische Ausbildung.

Quellen

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Jonathan Häußer
Über Jonathan Häußer 124 Artikel
Jonathan Häußer ist Arzt in der Weiterbildung zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und Sportwissenschaftler (B.A. Bewegungswissenschaft) mit einem besonderen Interesse für die Sport- und Notfallmedizin.