
Manche Menschen haben häufig mit Krämpfen zu tun, andere fast nie. Das konnte auch in Studien beobachtet werden. Aber wie entstehen Muskelkrämpfe und was kannst du gegen Krämpfe tun?
Auf einen Blick
- Muskelkrämpfen werden durch ein Ungleichgewicht in der Aktivierung von Muskelspindeln und Golgi-Sehnenorgan verursacht.
- Manche Menschen haben häufiger Krämpfe als andere. Woran das liegt kann man noch nicht sicher sagen.
- Wenn ein Krampf auftritt, solltest du den betroffenen Muskel dehnen.
- Vorbeugende kannst du vor allem exzentrische und plyometrische Übungen machen.
Wie kommt es zu Muskelkrämpfen beim Sport?
Lange Zeit ging man davon aus, dass ein Ungleichgewicht im Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt dazu führt, dass es zu einer Übererregung der Muskulatur kommt und Krämpfe entstehen. Vor allem das Magnesium wurde häufig verdächtigt.
Zur dieser Dehydrationstheorie gibt es aber widersprüchliche Daten. Einerseits konnte durch Dehydration Krämpfe hervorgerufen werden und Sportler mit Krämpfen haben häufig höhere Flüssigkeits- und Elektrolytverluste als Sportler ohne Krämpfe. Andererseits zeigen Blutentnahmen, dass die Elektrolytwerte sich nicht zwischen Personen unterschieden, die Krämpfe hatten und solchen, die keine Krämpfe hatten. Wenn nur die Elektrolytverschiebung und der Wasserhaushalt ursächlich wären, müssten die Krämpfe eigentlich auch in nahezu jedem Muskel ablaufen müssten und nicht nur in der arbeitenden Muskulatur. Auch die Wirkung des aktiven Gegendehnen wäre nicht zu erklären, da es nichts am Elektrolyt – und Wasserhaushalt ändert.
Eine andere Erklärung ist wahrscheinlicher: wenn der Muskel ermüdet, kommt es zu einem Ungleichgewicht in der Aktivität von Muskelspindeln und Golgi-Sehnenorgan. Muskelspindeln sind die Dehnungsensoren der Muskulatur und reagieren auf Dehnung mit einer Kontraktion des betreffenden Muskels. Das Golgi-Sehnenorgan ist ein Spannungssensor und hemmt die Kontraktion des Muskels bei hoher Spannung. Ermüdet der Muskel, nimmt die Aktivität des Golgi-Sehnenorgans ab und die der Muskelspindel zu. Dies wurde zumindest im Tiermodel bereits nachgewiesen. Insbesondere in Positionen, wo sich der Muskel bereits in einer verkürzten Position befindet, ist die Aktivität des Golgi-Sehnenorgans reduziert. Dann kommt es zu eine Übererregung des Muskels – dem Krampf.
Wer bekommt Krämpfe?
Manche Menschen haben häufig mit Krämpfen zu tun, andere fast nie. Woran das liegt, weiß man nicht, eine genetische Komponente ist aber denkbar. Männer haben zudem ein höheres Risiko. Sicher ist aber, dass eine höhere Belastungsintensität z.B. bei Wettkämpfen häufiger mit Krämpfen einhergeht.
Wie behandelt man Krämpfe beim Sport?
Wenn ein Krampf auftritt, ist Dehnen die beste Behandlung. Die beim Dehnen höhere Muskelspannung reizt das Golgi-Sehnenorgan, wodurch der Nerv des Muskels gehemmt wird und der Krampf aufhört. Ein paar wissenschaftlich untersuchte Fälle haben auch der Hyperventilation (20-30 tiefe Atemzüge/Minute) und dem Trinken von Essiggurkensaft eine Wirkung attestiert. Ob und wie diese wirken, ist aber nicht ganz klar.
Vorbeugend können vor allem exzentrische und plyometrische Übungen wirken, jedoch gibt es auch hierzu kaum Studien. Bei Sportlern die häufig an Krämpfen leiden, kann es sinnvoll sein, durch elektrische Stimulation Krämpfe zu provozieren. Die Schwelle für neue Krämpfe wird erhöht, das Verfahren ist aber nur bedingt praktikabel. Eine präventive Wirkung von Massagen, Kompressionssocken oder Kinesiotape konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Auch genug Schlaf sowie eine ausreichende Erholung sind gute Präventivmaßnahmen.
Das Zuführen von Flüssigkeit und Elektrolyten (auch Magnesium) hat wahrscheinlich keine Wirkung auf das Auftreten von Krämpfen. Das gilt auch für prophylaktisches Dehnen. Es ist trotzdem zu empfehlen, genug Flüssigkeit und Elektrolyte während der Belastung aufzunehmen, um einem Leistungsabfall oder Elektrolytentgleisungen entgegenzuwirken.
Multifaktorielles Modell für Muskelkrämpfen beim Sport
In einem neueren Reviewartikel haben Miller et al. nochmal aktuelles Wissen zur Pathophysiologie, Therapie und Prävention von Muskelkrämpfen zusammengetragen. Neben den bereits weiter oben genannten Theorie zur Dehydrations/Elektrolytverschiebung und der Theorie der veränderten muskulären Kontrolle legt Miller seine Multifaktor-Theorie dar.
In seinem multifaktoriellen Modell fasst Miller aktuelle Erkenntnisse aus beiden Theorien bezüglich Auslösern und prädisponierenden Faktoren zusammen. Therapeutisch ist das erwähnte „gentle-Stretching“ weiterhin Mittel der Wahl. Das kann durch die Rehydratation, möglicherweise auch in Form von kohlenhydrathaltigen Getränken, unterstützt werden. Die Kohlenhydrate wirken vermutlich der muskulären Ermüdung entgegen.
Auch TRP (transient Rezeptor-potential)-Kanäle scheinen in der Akuttherapie eine Rolle zu spielen. 100 ml Essiggurkensaft lösten Krämpfe knapp 40% schneller als Wasser. Essiggurkensaft reizt wahrscheinlich diese TRP-Kanäle und löste nach 68 Sekunden die Krämpfe. Diese kurze Zeit schließt einen Einfluss auf Wasser -und Elektrolythaushalt nahezu aus. TRP-Rezeptoren im Mund, Oropharynx und in der Speiseröhre scheinen hier für die Wirkung verantwortlich zu sein. Trotzdem ist noch nicht abschließend geklärt, was zu Krämpfen führt und weitere Forschung ist notwendig.
Zusammenfassung
Auch heutzutage ist noch nicht abschließend geklärt, wie Krämpfe entstehen. Elektrolytverschiebungen oder Dehydratation scheinen als Ursache aber relativ unwahrscheinlich. Ein Ungleichgewicht der muskulären Erregung und das multifaktorielle Modell von Miller scheinen dieses Phänomen besser zu erklären. Die beste und einfachste Maßnahme bei einem Krampf ist Dehnen. Vorbeugend können Schlaf, ausreichend Erholung und auf ein gezieltes Krafttraining empfohlen werden.
Quellen
Miller, K. C., McDermott, B. P., Yeargin, S. W., Fiol, A., & Schwellnus, M. P. (2021). An Evidence-Based Review of the Pathophysiology, Treatment, and Prevention of Exercise Associated Muscle Cramps. Journal of athletic training, 57(1), 5–15. Advance online publication. https://doi.org/10.4085/1062-6050-0696.20
Nelson, N. L., & Churilla, J. R. (2016). A narrative review of exercise-associated muscle cramps: Factors that contribute to neuromuscular fatigue and management implications. Muscle & nerve, 54(2), 177–185. https://doi.org/10.1002/mus.25176
Schwellnus M. P. (2009). Cause of exercise associated muscle cramps (EAMC)–altered neuromuscular control, dehydration or electrolyte depletion?. British journal of sports medicine, 43(6), 401–408. https://doi.org/10.1136/bjsm.2008.050401