
Studien haben gezeigt, dass beim Aufwärmen durchgeführte Dehnübungen zu Defiziten bei der Kraft, Schwerkraft, Schnelligkeit und Balance führen können. Dies ist jedoch nur bei statischen Dehnübungen von mehr als 60 Sekunden der Fall, bei kürzer gehaltenen Dehnübungen scheint das nicht so zu sein. Dass sich durch Dehnen die Beweglichkeit verbessert ist jedoch unstrittig, aber es ist möglicherweise nicht die einzige Art und Weise, die Beweglichkeit zu verbessern.
Auf einen Blick
- Krafttraining kann die Beweglichkeit in einem moderaten Ausmaß verbessern
- Verbesserungen der Beweglichkeit unterscheiden sich nicht signifikant, ob man jetzt Krafttraining und Dehnübungen durchführt
- Vor oder nach dem Krafttraining zu dehnen ist möglicherweise nicht notwendig, um die Beweglichkeit zu verbessern
- Dehnübungen können aber weiterhin Teil des Trainings sein, z.B. auch als Teil des Aufwärmens
Wird man durch Krafttraining beweglicher oder machen die ganzen Muskeln eher unbeweglich? Hierzu führten Alizadeh et al. (2023) eine Metaanalyse durch. Es flossen insgesamt 55 Artikel mit einer Gesamtanzahl von 2756 Probanden ein. Das Durchschnittsalter der Probanden lag bei 23,9 Jahren. Dabei zeigte sich aber, dass es einen Reporting Bias für die Analyse von Krafttraining vs. Kontrollgruppe gab. Das bedeutet, dass vermutlich einige Studien zu diesem Thema nicht publiziert wurden.
Krafttraining verbessert die Beweglichkeit
Die Autoren fanden eine moderate Effektstärke, die eine Überlegenheit des Krafttrainings zur Verbesserung der Beweglichkeit gegenüber einer Kontrollgruppe zeigte. Das war auch in den Sensitivitätsanalysen der Fall, wo man die Studien mit der kleinsten und der größten Effektstärke außer Acht ließ. Die Verbesserungen bei der Beweglichkeit unterschieden sich jedoch nicht zwischen Gruppen, die Krafttraining durchführten, die Dehntraining durchführten oder die ein kombiniertes Kraft- und Dehntraining durchführten. Bei allen verbesserte sich die Beweglichkeit in gleichem Maße.
Bei der Subgruppenanalyse ergab sich kein Unterschied zwischen den Geschlechtern, zwischen konzentrischen und exzentrischen Kontraktionen und zwischen den verschiedenen untersuchten Gelenken. Größere Verbesserungen der Beweglichkeit zeigten sich bei untrainierten gegenüber trainierten Menschen. Das lag wahrscheinlich an der schlechteren Ausgangsbeweglichkeit bei Untrainierten. Damit haben sie auch ein größeres Verbesserungspotential.
Übungen mit dem eigenen Körpergewicht scheinbar weniger effektiv
Zudem waren bei Übungen mit dem eigenen Körpergewicht keine Verbesserungen der Beweglichkeit festzustellen. Beweglicher wurden nur diejenigen, die das Krafttraining mit Widerstandsbändern, freien Gewichten, Geräten oder gemischten Übungen (z.B. Kombination aus freien Gewichten und Maschinen) durchführten oder Pilates machten. Allerdings ist diese Erkenntnis mit Vorsicht zu genießen, da hier nur 4 Effektstärken in die Analyse mit einflossen. Dass sich die Beweglichkeit bei Übungen mit dem eigenen Körpergewicht nicht verbessern lässt, könnte aber daran liegen, dass diese Übungen häufig das Bewegungsausmaß limitieren. So ist das Bewegungsausmaß bei Liegestützen z.B. durch den Brustumfang und den Boden begrenzt. Beim Bankdrücken mit mit Kurzhanteln sind größere Bewegungsumfänge möglich.
Weitere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen
Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit weiteren Reviews und Metaanalysen. Ein Metaanalyse von Afonso et al. (2021) fand zwar einen etwas größeren Effekt bei Dehnübungen, das war aber nicht statistisch signifikant. Einschränkend muss zu dieser Metaanalyse gesagt werden, dass hier verschiedene Beweglichkeitstests und verschiedene Gelenke in den Analysen kombiniert wurden. Das kann dazu führen, dass die Effekte an bestimmte Gelenk über- oder unterschätzt werden, wenn nur der Mittelwert aller Gelenke betrachtet wird.
Müssen wir überhaupt noch Dehnen, um die Beweglichkeit zu verbessern?
Das Dehnen war einige Zeit in Verruf geraten, vor allem wenn es als Teil des Aufwärmens durchgeführt wurde. So führt das Dehnen zu Defiziten bei der Kraft, Schwerkraft, Schnelligkeit und Balance – das ist allerdings nur bei statischen Dehnübungen von mehr als 60 Sekunden der Fall. Zwar können Dehnübungen vor allem auch angesichts dieser Metaanalyse weitgehend durch Kraftübungen ersetzt werden, allerdings muss man nicht unbedingt auf sie verzichten. Sie können weiterhin zur Verbesserung der Beweglichkeit zum Einsatz kommen, wenn Krafttraining nicht zielführend ist wie z.B. in der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung. In einem anderen Artikel sind wir bereits drauf eingegangen, wie man am besten Kraft- und Dehntraining kombiniert.
Zusammenfassung
Krafttraining verbessert also grundsätzlich auch die Beweglichkeit, nur nicht beim Krafttraining mit dem eigenen Körpergewicht hat sich das noch nicht so gezeigt. Insgesamt war Krafttraining zur Verbesserung der Beweglichkeit genauso gut wie Dehnübungen, bei untrainierten Probanden waren die Effekte aber größer.
Dehnübungen vor oder nach dem Krafttraining sind damit wahrscheinlich nicht unbedingt notwendig, um die Beweglichkeit zu verbessern. Es kann aber weiterhin zur Verbesserung der Beweglichkeit zum Einsatz kommen, wo Krafttraining nicht zielführend ist – z.B. vor einem Wettkampf.
Quelle
Alizadeh, S., Daneshjoo, A., Zahiri, A., Anvar, S. H., Goudini, R., Hicks, J. P., Konrad, A., & Behm, D. G. (2023). Resistance Training Induces Improvements in Range of Motion: A Systematic Review and Meta-Analysis. Sports medicine (Auckland, N.Z.), 10.1007/s40279-022-01804-x. Advance online publication. https://doi.org/10.1007/s40279-022-01804-x