
Ein zentraler Bestandteil der Rehabilitation bei Tendinopathien der Achillessehne ist die progressive Steigerung der Belastung. Das ist auch nach Achillessehnenrupturen wichtig. Die Belastung sollte langsam gesteigert werden, damit die Sehne Zeit hat, sich an die steigende Belastung anzupassen. Doch wie soll man die Belastung steigern, wenn man gar nicht genau weiß, wie stark die Sehne bei verschiedenen Tätigkeiten und Übungen belastet wird? Deshalb werfen wir hier einen Blick in die Literatur, die uns zeigt, wie ein solches Trainingsprogramm am besten aufgebaut und gesteigert werden kann.
Auf einen Blick:
- Generell ist die Belastung der Achillessehne bei langsamen, mehrgelenkigen Übungen am geringsten und steigt dann deutlich an, wenn dynamische, einbeinige Übungen durchgeführt werden.
- Beim Gehen ist die Belastung geringer als beim Laufen. Bei beiden Tätigkeiten steigt die Belastung nichtlinear mit der Geschwindigkeit an.
- Bei gezielten Übungen für die Achillessehne ist die Belastung in der exzentrischen Phase ist nicht größer als in der konzentrischen und die Zusatzlast beeinflusst die Achillessehnenbelastung im Stehen und Sitzen in ähnlicher Weise. Dabei belasten Übungen im Stehen die Achillessehne effektiver.
- Es sollten Übungen durchgeführt werden, die sowohl den M. gastrocnemius als auch den M. soleus trainieren, da hierdurch unterschiedliche Anteile der Sehne vermehrt belastet werden.
Belastung der Achillessehne kennen
Beim Gehen wirkt etwa das 3-fache Körpergewicht auf die Achillessehne. Beim Laufen kann die Belastung auf bis über das 12-fache des Körpergewichts steigen (Baxter et al., 2021). So wird die Achillessehne je nach Tätigkeit in unterschiedlichem Ausmaß belastet. In der Rehabilitation von Tendinopathien der Achillessehne und Achillessehnenrupturen ist die langsame Belastungssteigerung die entscheidende Komponente. Allerdings muss man die Belastung der Achillessehne bei verschiedenen Übungen und Tätigkeiten kennen, um die Belastung auch sinnvoll steigern zu können.
Wie genau diese Belastung beim Gehen, Laufen und bei verschiedenen Kraftübungen aussieht, trugen jetzt Demangeot et al. (2023) zusammen. Hier wurden insgesamt 11 Studien betrachtet, die die Achillessehnenbelastung in Bezug auf das Körpergewicht angaben. Die Studien hatten 8-30 Teilnehmer, die im Schnitt 25 Jahre alt waren und gesunde Achillessehnen hatten.
Messung der Achillessehnenbelastung nicht direkt möglich
Die Belastung wurde in den meisten Fällen mittels inverser Dynamik berechnet. Dies basiert auf der Messung kinematischer und kinetischer Parameter wie z.B. der Bodenreaktionskräfte. Die kinematischen Daten wurden mit Motion Capture Systemen erfasst. In einer Studie kam zur Messung die Scherwellenelastographie zum Einsatz, eine weitere nutzte eine quadratische Formel der Kraft-Längen Kurve.
Belastung der Achillessehne ist beim Laufen höher als beim Gehen
Die Belastungen der Achillessehne lagen beim Gehen je nach Geschwindigkeit beim 2,7 bis 3,95-fachen des Körpergewichts. Beim Laufen wurden Belastungen vom 4,15 bis 7,71-fachen des Körpergewichts gemessen. Dabei stieg die Belastung beim Laufen mit zunehmender Geschwindigkeit. Die Belastungen bei bestimmten Kraftübungen lagen je nach Übung und Zusatzgewicht beim 0,41-fachen bis 7,3-fachen des Körpergewichts.
Belastung beim Gehen und Laufen steigt mit der Geschwindigkeit
Insgesamt zeigte sich eine größere Belastung beim Gehen mit zunehmender Geschwindigkeit. Allerdings war dieser Zusammenhang nicht linear. Unterschiede zwischen den Studien lassen sich am ehesten durch die Methodik erklären.
Auch beim Laufen war eine zunehmende Belastung bei höheren Geschwindigkeiten festzustellen. Dieser Zusammenhang war aber ebenfalls nicht linear. Wie beim Gehen sind Unterschiede zwischen den Studien durch Unterschiede in der Methodik zu erklären. Zudem durften die Probanden in manchen Studien ein selbst gewähltes Tempo laufen und es wurden lediglich die mittlere Laufgeschwindigkeit aller Probanden mit der mittleren Achillessehnenbelastung berichtete. Wenn der Durchschnitt jetzt bei 2,9 m/s lag, kann das trotzdem zu anderen Ergebnissen bei der Belastung führen, als wenn alle Probanden tatsächlich 2,9 m/s laufen müssten.
Bei Männern und auf dem Laufband konnten höhere Belastungen gemessen werden, die Schuhe schienen keinen relevanten Einfluss zu haben.
Belastung beim Vorfußlauf und Rückfußlauf ähnlich?
Der Einfluss des Fußaufsatzes – also Vorfußlauf oder Rückfußlauf – war ebenfalls unklar. Hier sind die Ergebnisse widersprüchlich. Einige Autoren sagen, dass die Kräfte zunehmen, da bei höheren Geschwindigkeiten tendenziell mehr auf dem Vorfuß gelaufen wird. Durch die kürzeren Bodenkontaktzeiten kommt es zu einer schnelleren Dorsalextension des Fußes und damit auch zu einer größeren Belastung der Achillessehne. Andere Autoren halten dagegen, dass dies durch einen größeren Hebelarm beim Vorfußlauf kompensiert wird.
Allerdings muss man hier auch ergänzen, dass sich diese Erkenntnisse auf die Maximalkräfte beziehen, die beim Laufen auf die Achillessehne wirken. Zumindest aus theoretischen Überlegungen ist es plausibel, dass die hohen Kräfte beim Vorfußlauf über einen längeren Zeitraum wirken als beim Rückfußlauf.
Belastung der Achillessehne bei Kraftübungen
Bei Training der Achillessehne gibt es verschiedene Übungsprogramme. Neben dem klassischen exzentrischen Training nach Alfredson hat sich auch das Heavy Slow Resistance Training etabliert. Die Übungen aus diesen Programmen bieten eine gute Grundlage für den Belastungsaufbau der Achillessehne.
Dabei gibt es verschiedene Faktoren, die die Belastung der Sehne bei diesen Übungen beeinflussen. Yeh et al. (2021) untersuchten die Sehnenbelastung beim exzentrischen und Heavy Slow Resistance Training. Dabei hing die Belastung von zwei Faktoren ab. Einerseits nahm die Belastung mit höheren Gewichten zu, andererseits zeigte sich eine steigende Belastung mit zunehmender Dorsalextension im Sprunggelenk. Die größte Dorsalextension wurde beim exzentrischen Wadenheben mit gebeugtem Knie erreicht. Ein dritter Faktor, zumindest bei stehenden Übungen, war das Körpergewicht, was aber nicht im Rahmen eines Trainingsprogramms beeinflusst werden kann.
Beim Heavy Slow Resistance Training war das Bewegungsausmaß bei den Übungen im Sitzen am größten. Im Stehen war die Belastung der Achillessehne in der konzentrischen und exzentrischen Phase gleich, im Sitzen war sie jedoch in der konzentrischen Phase höher.
Die Autoren kamen zu folgenden Schlüssen:
- Die Belastung in der exzentrischen Phase ist nicht größer.
- Die Zusatzlast beeinflusst die Achillessehnenbelastung im Stehen und Sitzen in ähnlicher Weise.
- Übungen im Stehen belasten die Achillessehne effektiver.
Gebeugte oder gerade Knie?
Es zeigte sich auch, dass Übungen im Stehen mit gebeugtem Knie mit einer Zusatzlast von 8-16% des Körpergewichts zu ähnlichen Belastungen der Sehne führen wie Übungen mit geraden Knien und 25% Zusatzlast. Daher sind für zu Hause Übungen mit gebeugtem Knie von entscheidender Bedeutung. Grund hierfür ist die größere Dorsalextension bei gebeugtem Knie, weil hier der M. gastrocnemius entspannt ist. Alle 5° Dorsalextension nimmt die Belastung um das 0,35-fache Körpergewicht im Stehen und um das 0,17-fache Körpergewicht im Sitzen zu. Bei der gleichen Last sind stehende Übungen daher effektiver, um hohe Achillessehnenbelastungen zu erzeugen. Übungen im Sitzen sind aber weiter wichtig, da dort der M. soleus mehr trainiert wird. Dieser setzt über den anterioren oder anteromedialen Anteil der Achillessehne an der Ferse an. Würde nur der M. gastrocnemius trainiert, würde auch ein Teil der Sehne nicht trainiert werden.
Die Übungen in der Beinpresse wurden in dieser Studie nicht untersucht, da hier bei gleichen Knie- und Sprunggelenkswinkeln von einer ähnlichen Belastung wie beim stehenden Wadenheben ausgegangen wird. Allerdings gibt es Hinweise, dass die gebeugte Hüfte dazu führen könnte, dass weniger Dorsalextension im Sprunggelenk möglich ist. Das hätte auch eine reduzierte Belastung der Achillessehne zur Folge. Die Ursachen hierfür sind nicht ganz geklärt, die Faszien könnten hierbei aber eine Rolle spielen.
Kategorisierung der Kraftübungen
Die Belastungen der Achillessehne bei verschiedenen Übungen lassen sich in mehrere Kategorien einteilen (Demangeot et al. 2023).
- Geringere Belastung als beim Gehen: dazu gehören Wadenheben im Sitzen (mit Zusatzgewicht), Kniebeugen, Ausfallschritte
- Ähnliche Belastung wie beim Gehen: dazu gehören stehendes, einbeiniges Wadenheben (eigenes Körpergewicht oder Zusatzgewicht von 8-15% des Körpergewichts), beidbeinige Drop Jumps und Counter Movement Jumps
- Belastungen wie beim Laufen: einbeiniges Wadenheben mit Zusatzgewicht von >25% des eigenen Körpergewichts, einbeinige Counter Movement Jumps und Drop Jumps, einbeinige Sprünge
Ist die Spitzenbelastung aussagekräftig?
Bei all den Werten für die Belastung der Achillessehne handelte es sich um die Spitzenbelastung. Die Frage ist aber, ob das der aussagekräftigste Parameter ist oder ob nicht andere Parameter oder eine Kombination verschiedener Parameter klinisch bedeutsamer sind. Baxter et al. ließen in ihre Klassifikation neben der Spitzenbelastung auch die Fläche unter der Kraft-Zeit-Kurve, also den Gesamtimpuls, sowie den Belastungsanstieg einfließen.
So kamen Baxter et al. (2021) zu einem Ranking, wo Wadenheben im Sitzen die geringste Belastung darstellte. Etwas mehr Belastung kam bei Übungen wie Kniebeugen, Step Ups und Step Downs sowie Ausfallschritten und beidbeinigem Wadenheben im Stehen auf die Sehne. Beidbeinige Counter Movement Jumps, Drop Jumps, Sprünge und einbeiniges Wadenheben ließen die Belastung nochmal deutlich ansteigen. Die größte Belastung wirkte bei einbeinigen Counter Movement Jumps, Drop Jumps und Sprüngen in verschiedene Richtungen.
Was sind die besten Übungen bei Schmerzen an der Achillessehne?
Es gibt nicht die eine beste Übung. Es gibt mehrere Übungsprogramme, die sich als wirksam erwiesen haben. Das Wichtigste ist die progressive Belastungssteigerung. Das exzentrische Training hat dabei den Vorteil, dass es einfacher zuhause ausgeführt werden kann. Das Heavy Slow Resistance Training ist dafür etwas zeiteffizienter.
Zusammenfassung
Die Belastung der Achillessehne ist beim Gehen geringer als beim Laufen. Sowohl beim Gehen als auch beim Laufen ist die Belastung aber von der Geschwindigkeit abhängig, steigt aber nicht linear mit dieser an. Bei gezielten Übungen für die Achillessehne ist die Belastung in der exzentrischen Phase ist nicht größer als in der konzentrischen und die Zusatzlast beeinflusst die Achillessehnenbelastung im Stehen und Sitzen in ähnlicher Weise. Dabei belasten Übungen im Stehen die Achillessehne effektiver.
Quellen
Baxter, J. R., Corrigan, P., Hullfish, T. J., O’Rourke, P., & Silbernagel, K. G. (2021). Exercise Progression to Incrementally Load the Achilles Tendon. Medicine and science in sports and exercise, 53(1), 124–130. https://doi.org/10.1249/MSS.0000000000002459
Demangeot, Y., Whiteley, R., Gremeaux, V., & Degache, F. (2023). The load borne by the Achilles tendon during exercise: A systematic review of normative values. Scandinavian journal of medicine & science in sports, 33(2), 110–126. https://doi.org/10.1111/sms.14242
Starbuck, C., Bramah, C., Herrington, L., & Jones, R. (2021). The effect of speed on Achilles tendon forces and patellofemoral joint stresses in high-performing endurance runners. Scandinavian journal of medicine & science in sports, 31(8), 1657–1665. https://doi.org/10.1111/sms.13972
Yeh, C. H., Calder, J. D., Antflick, J., Bull, A. M. J., & Kedgley, A. E. (2021). Maximum dorsiflexion increases Achilles tendon force during exercise for midportion Achilles tendinopathy. Scandinavian journal of medicine & science in sports, 31(8), 1674–1682. https://doi.org/10.1111/sms.13974